In einem kleinen Dorf in Nordportugal hält der Töpfermeister Senhor César eine beinahe vergessene Kunst am Leben: die Schwarzbrandkeramik. Seine Leidenschaft für dieses uralte Handwerk ist ebenso ansteckend wie sein Lachen. Auf unserer letzten Portugalreise haben wir ihn besucht und durften ihm bei seiner Arbeit über die Schulter schauen.
Gegen das Vergessen
Die Verständigung verläuft ein wenig holprig. Unser Portugiesisch ist ausbaufähig und der Töpfermeister spricht kein Englisch. Oh, das macht nichts!, sagt er, Wir werden uns schon verstehen. Und schon fängt er an zu reden wie ein rauschender Wasserfall - über den Ton und die Drehscheibe, über die Tradition und seine eigene Geschichte. Unsere Hände und Füße retten uns über so manche Passage, alles verstehen wir dennoch nicht. Aber wir spüren deutlich, wie sehr dieser Mensch für seine Sache brennt.
Mit 17 Jahren kommt Senhor César das erste Mal mit der Töpferei in Berührung. Er ist einer von vier Schülern, die damals eine Ausbildung bei einem traditionellen Töpfermeister beginnen, um das Handwerk der Schwarzbrandkeramik zu erlernen. Seit seiner Lehrzeit sind über dreieinhalb Jahrzehnte vergangen und heute ist er der letzte Vertreter in dem kleinen Dorf, der gegen das Vergessen ankämpft. Das ist wenig verwunderlich, denn die Arbeit ist mühsam und langwierig, sie erfordert viel Geduld und Geschick.
Bild (C) Paulo Castro Photography
Fein und feiner
Die sandfarbene Tonerde für seine Arbeit bezieht der Meister aus der unmittelbaren Umgebung. Er schaufelt sie mit seinen Händen in einen Kübel und entleert diesen anschließend in einen ausgehöhlten Baumstamm. Mithilfe eines Holzbeils schlägt er den Ton weich. Dafür ist viel Muskelkraft erforderlich, denn die Erde ist noch voller Steine.
Bilder (C) Paulo Castro Photography
Bevor die Erde mit Wasser gemischt und zu Ton werden kann, müssen die vielen Steinchen noch aus dem Rohmaterial gesiebt werden. Dazu benutzt Senhor César ein grob- und ein feinmaschiges Sieb. Er schüttelt geduldig und aus dem Sieb fällt ein fein glitzerndes Material, das zu Ton weiterverarbeitet wird. Die angefeuchtete Masse wird nun gut durchgeknetet, um alle Luftbläschen zu entfernen.
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Von Hand betrieben
Senhor César nimmt einen großen Klumpen Ton und formt ihn grob zu einer Kugel. Sein niedriges Rad – die roda baixa – wird von Hand betrieben. Er platziert den Ton mittig auf der Töpferscheibe und dreht das Rad anschließend mehrfach schnell um ihre Achse. Mit angefeuchteten Händen beginnt er nun den Ton zu zentrieren und ein Gefäß zu formen. Sobald das Rad langsamer wird, versetzt er es erneut in Bewegung.
Heute existieren nur noch wenige dieser Räder. Selbst in sehr traditionellen Werkstätten wird mittlerweile meist auf elektrisch betriebenen Töpferscheiben gedreht, die ein schnelleres und ergonomischeres Arbeiten zulassen. Daher beherrscht kaum mehr jemand diese alte Kunst. Unseren Töpfermeister begleitet seine roda baixa schon viele Jahre. Gerade weil sie so selten geworden ist, hält er an der Tradition fest, um das Handwerk nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Bilder (C) Paulo Castro Photography
Flink entsteht die Vase auf der Töpferscheibe unter den geübten Händen des Meisters. Unter Zuhilfenahme seiner Werkzeuge nimmt das Gefäß mit jeder Umdrehung mehr seine finale Gestalt an. Ein nasses Baumwolltuch und ein Holzspatel, ein Lineal und metallene Modellierschlingen. Mehr benötigt Senhor César für das Drehen der Stücke nicht. Was so simpel wirkt, ist jedoch das Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrung auf dem Rad.
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Die Soenga
Nach einigen Tagen Trockenzeit sind die Stücke lederhart und bereit für ihren großen Auftritt bei der sogenannten soenga, dem Brennvorgang. Senhor César hat dazu eine breite Grube im Garten ausgehoben. In der Mitte werden Holzscheiter und Reisig zu einem Stoß aufgerichtet und entzündet. Die Tongefäße werden zunächst an den Rändern mit etwas Abstand zur Feuerstelle aufgereiht. Sie müssen sich erst langsam an die hohen Temperaturen gewöhnen, um keine Risse zu bekommen.
Bilder (C) Paulo Castro Photography
Sobald das Feuer nachlässt, dürfen die Gefäße langsam zur Mitte wandern und kommen nun erstmals in Kontakt mit der glühenden Asche. Vorsichtig werden sie nun zusammen mit Brennholz aufgeschichtet und entzündet. Durch die Zuhilfenahme von Reisig kommt es dabei zu einer starken Rauchentwicklung.
Bilder (C) Paulo Castro Photography
Der Rauch als Maler
Notwendig für die spätere Schwarzfärbung der Keramik ist der Rauch. Daher muss er nun rasch eingefangen werden. Dazu wird die Brennstelle mit Erde bedeckt. Viele Hände helfen mit, denn jetzt muss es schnell gehen, bevor sich der Rauch zu sehr verflüchtigt. Unter einer dicken Schicht Erde brennen die Tongefäße nun über Stunden weiter.
Bilder (C) Paulo Castro Photography
Der Rauch zieht dabei durch die Stücke und färbt sie in dunkle Grauschattierungen. Wenn sie wieder ausgegraben werden, erkennt man die Wege, die sich der Rauch durch den Ton gebahnt hat. Wo die Stücke aneinander lehnen, kann er weniger gut durch das Material dringen. Diese Stellen bleiben heller.
Bilder (C) Paulo Castro Photography
Ob und wie viele der Töpferwaren den heiklen Brennprozess überleben, lässt sich nicht vorhersagen. Manchmal enthüllt die Grube mehr Scherben als intakte Stücke. Viel Zeit für Wehmut nimmt sich der Töpfermeister jedoch nicht, der Bruch ist eben Teil der Arbeit. Und viel interessanter sind schließlich die unbeschädigten Kunstwerke.
Auch die Schattierungen und Muster, die der Rauch auf den Gefäßen hinterlässt, bleiben bis zum Öffnen der Grube ein Geheimnis. Tausende Gegenstände hat Senhor César bereits gedreht und gebrannt, und doch ist jedes davon einzigartig in seiner Form und Färbung. Der Stolz über dieses besondere Kunsthandwerk lässt sich auf dem zufriedenen Gesicht des Meisters ablesen, dessen Mühen in den Keramikgefäßen sichtbar werden.
Mit seiner hingebungsvollen und geduldigen Arbeit bewahrt Senhor César jeden Tag eine alte Kunst vor dem Aussterben. Ein*e Nachfolger*in für seine Tätigkeit hat sich bisher noch nicht gefunden. Jemand, der das Handwerk weiterreicht an eine neue Generation. Jemand, der die Schönheit in dieser Arbeit sieht.