Bereits Jahrtausende bevor die Menschen sesshaft wurden, war die Keramik ein fester Bestandteil ihres Lebens. Sie revolutionierte das Kochen und Essen, die Vorratshaltung, das Kunsthandwerk und den Bau. Und sie machte Vieles möglich, was wir heute als selbstverständlich betrachten. Bis zu den hochwertigen Tonwaren, die wir heute kennen, war es ein langer Weg, gesäumt von zahlreichen Entdeckungen und Erfindungen. Und noch heute ist gebrannte Erde so simpel wie genial.
Stumme Zeugen der Menschheit
Die Bezeichnung Keramik entstammt dem altgriechischen Wort keramos, welches sowohl den Ton als auch die aus ihm hergestellten und gebrannten Erzeugnisse bezeichnet. Wie lange der Mensch bereits Töpferwaren herstellt, lässt sich nicht eindeutig klären. Die ältesten bisher gefundenen Relikte weisen jedoch ein stolzes Alter von rund 25.000 Jahren auf.
Eine der ältesten noch erhaltenen keramischen Erzeugnisse ist die Venus von Dolní Věstonice, eine rund elf Zentimeter große Figurine, auf die Archäolog*innen bei Ausgrabungen auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens stießen. Zur Vermeidung von Schrumpfungsrissen wurde dem Rohmaterial, aus dem die Figurine geformt wurde, Tierknochenmehl beigemengt. Wer die Venus geformt hat, ist unbekannt. Auf der Rückseite ist allerdings ein Fingerabdruck zu sehen, der nach wissenschaftlichen Analysen einem etwa 11 bis 14 Jahre alten Mädchen zugeschrieben wird.
Erfindung oder Entdeckung der Keramik
Keramik wurde vermutlich nicht erfunden, sondern vielmehr entdeckt – und zwar unabhängig voneinander auf verschiedenen Teilen der Welt. Als Unterlage für ein Feuer wurden häufig Lehmplatten verwendet, die durch die Hitze aushärteten und wasserresistent wurden. Diese Entdeckung inspirierte den Menschen vermutlich zur Herstellung von Baumaterialien, Kunsthandwerk und Gefäßen wie Koch- und Essgeschirr. Ein entscheidender Vorteil der Tonbehältnisse gegenüber den zuvor genutzten Körben und Fellbeuteln war außerdem die bessere Haltbarkeit der Lebensmittel. Töpferwaren vereinfachten demnach auch die Vorratshaltung.
Die Revolution der Töpferscheibe
Erst viele tausende Jahre später entstand das traditionelle Keramikhandwerk, wie wir es heute kennen, mit dem Einsatz der ersten Töpferscheibe. Die älteste bekannte Scheibe stammt aus Mesopotamien und wird auf 3.000 v. Chr. datiert. Die Erfindung wird daher oft den Sumerern zugeschrieben. Funde diverser Fragmente legen jedoch nahe, dass womöglich bereits 2.000 Jahre zuvor in Indien Gefäße auf Töpferscheiben gedreht wurden. Der genaue Zeitraum dieser wichtigen Erfindung lässt sich also nicht genau belegen. Fest steht hingegen, dass durch die Drehscheibe ein schnelleres und präziseres Arbeiten möglich wurde.
Bild (C) Paulo Castro Photography
Vom Ton zur Keramik
Frühe Keramik wurde vermutlich in normalen Feuern im Freien und zusammen mit Brennmaterial gebrannt und war deshalb weitaus weniger widerstandsfähig als heutige Erzeugnisse. Die vergleichsweise niedrigen Temperaturen reichten jedoch aus, um den Ton zu trocknen und nahezu wasserundurchlässig zu machen, was das Material vielfältig einsetzbar machte.
Sogenannte Brenngruben in der Erde ließen bereits höhere Temperaturen zu. Dabei wurden große Vertiefungen in die Erde gegraben und zunächst mit einem Feuer vorgewärmt, während die ungebrannten Tonwaren schrittweise zur Mitte gerückt wurden. Die Erzeugnisse verblieben über mehrere Stunden in einem offenen Feuer. Im Anschluss wurde die Grube mit Reisig, Sägespänen oder Stroh bedeckt und mit Erde luftdicht verschlossen. Dort brannten die Stücke für weitere 12 bis 16 Stunden, bis die Grube geöffnet und die Keramik freigelegt wurde.
Die ersten Brennöfen
Die ersten Keramiköfen sind seit dem mittleren Neolithikum (~6000 v. Chr.) in Südosteuropa archäologisch belegt. Dabei handelte es sich um Einkammeröfen, in denen Brennstoff und Brenngut zusammen in einer gemeinsamen Kammer oder unter einer Ofenkuppel gebrannt wurden.
Rund 2000 Jahre später entstanden im Vorderen Orient Töpferöfen mit getrennten Feuer- und Brennkammern. Dabei wurden die Töpferwaren oberhalb der Feuerkammer auf einer Lochtenne platziert. Sie waren demnach nur mehr den heißen Rauchgasen und nicht dem unmittelbaren Feuer ausgesetzt.
Wenige Jahrzehnte vor Christi Geburt wurde bereits mit Brennöfen gearbeitet, die eine relativ konstante Temperatur von 950°C halten konnten. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Keramikmanufakturen, die im industriellen Sinn Töpferwaren herstellten.
Die Weiterentwicklung von stehenden Öfen mit aufsteigender Flamme zu liegenden Öfen, die die Flammen besser ausnutzten, erlaubte konstantere Brenntemperaturen. Die Hitze des Feuers wurde dabei von der Brennkammer durch einen Schornstein gezogen. Mit dieser Methode ließ sich eine massive Qualitätssteigerung erreichen, die schließlich zur Erfindung des Steinzeugs führte, der ersten vollständig gesinterten Keramik.
Der Siegeszug der Sinterwaren
Ab einer Brenntemperatur von ~1150°C setzt ein Prozess ein, der als Sintern bezeichnet wird. Darunter versteht man das Verschmelzen der Kristalle an der Oberfläche des Tons zu einer glasartigen Schicht. Diese sorgt dafür, dass die Keramik besonders widerstandsfähig gegen Stöße ist und – auch in unglasiertem Zustand - nahezu kein Wasser aufnimmt. Im Gegensatz zum porösen Irdengut, zu dem unter anderem auch Terrakotta und das namensähnliche Steingut zählt, ist das Steinzeug demnach wesentlich alltagstauglicher und resistenter.
Um diese wichtige Qualitätsstufe zu erreichen, waren nicht nur raffiniert konstruierte Brennöfen notwendig, die Temperaturen über der Sintergrenze erreichten, es bedurfte auch eines weniger fetthaltigeren Tons mit einem höheren Anteil an Silikatkristallen. Die Entwicklung der Keramik in Europa wurde jedoch stark vom Vorderen Orient beeinflusst, der lediglich über niedrig brennbare Tonarten verfügte. Während in der westlichen Hemisphäre daher erst gegen 1300 n. Chr. Steinzeug hergestellt wurde, gelang das in China bereits rund 500 Jahre früher.
Das weiße Gold
Ausgehend von China eroberte ab dem 14. Jahrhundert das Hartporzellan, welches wie Steinzeug zur Klasse des Sinterzeugs gezählt wird, auch den europäischen Kontinent. Bereits ab der Zeitenwende wurde mit der Zusammensetzung des Tons, welcher das für Porzellan so entscheidende Kaolin enthält, experimentiert. Dennoch dauerte es noch einige Jahrhunderte, bis die richtige Zusammensetzung gefunden und die hohen Temperaturen bis zu 1500°C erreicht wurden. Das Ergebnis ist besonders hart, dicht und leicht durchscheinend. Porzellan ist von Natur aus sehr hell, wodurch es meist nur mit einer transparenten Glasur überzogen wird.
Anfang des 18. Jahrhunderts gelang in Deutschland die Herstellung des ersten europäischen Hartporzellans. Ab dieser Zeit entstanden zunächst in der Nähe von Dresden und in Wien, und schließlich überall in Europa Porzellan-Manufakturen.
Industrialisierung und Massenherstellung
Die zunehmende Industrialisierung im 20. Jahrhundert prägte auch die Herstellung der Keramik und machte sie vermehrt zum Massenprodukt. Hocheffiziente Brennöfen und Maschinen erlauben heute die Produktion von großen Stückzahlen, die günstig in den Geschäften landen.
Ab dem Ende der 1970er Jahre wurde besonders aus Asien billig hergestellte Keramik auf den europäischen Markt gebracht. Durch den hohen Wettbewerbsdruck verschwanden viele traditionelle Manufakturen, die sich den Dumpingpreisen nicht länger beugen konnten.
Eine langsame Trendumkehr
In den letzten Jahren sind jedoch eine Kehrtwende und damit einhergehend eine Rückbesinnung auf handgefertigte und fair gehandelte Waren bemerkbar. Das liegt nicht zuletzt auch an einem gestiegenen Umweltbewusstsein unserer Gesellschaft, die lange Handelswege über Kontinente hinweg nicht länger hinnehmen will. Auch aufgrund ihrer Qualität und Einzigartigkeit genießen Waren aus traditioneller Handwerkskunst heute wieder verstärkt ein höheres Ansehen.
Bild (C) Paulo Castro Photography
Dieser Richtungswechsel kommt uns allen zugute. Schließlich möchten wir unseren Enkelkindern eines Tages eine lebenswerte Erde hinterlassen. Und vielleicht auch das ein oder andere Stück unserer Lieblingskeramik.